Intelligenter Ladefahrplan
Vom Forscher zum Geschäftsführer: Julien Ostermann hatte am Fraunhofer IAO mit »ubstack« eine Plattform entwickelt, die Unternehmen dabei hilft, die Nutzung ihrer E-Fahrzeuge nachhaltig zu planen und zu steuern. Vor einigen Monaten wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit – und vertreibt die Software nun unter dem Namen »Joulify« in eigener Regie.
Nicht jeder Forscher träumt davon, Unternehmer zu werden. Doch manchmal ist eine Idee so stark, dass man sie in die Welt tragen möchte. So erging es Julien Ostermann. Nach zwölf Jahren am Fraunhofer IAO ging er mit seinem Startup »Joulify« im April 2025 an den Markt. Sein Produkt: eine Softwarelösung zur Steuerung des intelligenten Ladens von E-Fahrzeugen.
Damit kam der 36-Jährige seiner Mission einen großen Schritt näher, Firmen auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen und die Elektromobilität in Deutschland voranzutreiben. »Aus technologischer und ökologischer Sicht ist die Elektromobilität unausweichlich und wird mittelfristig den Mobilitätssektor dominieren«, sagt er.
Ans Fraunhofer IAO kam Ostermann 2013 ein Jahr nach seinem Elektro- und Informationstechnikstudium an der Universität Duisburg-Essen. Er wollte forschen, promovieren sowie Neues lernen und hatte sich auf eine Stelle mit Fokus auf »Geschäftsmodellentwicklung und intelligentes Energie- und Lademanagement für Elektrofahrzeugflotten« beworben. Die Kombination gefiel ihm.
»Damals steckte E-Mobilität in den Anfängen«, erinnert er sich. »Intelligentes Laden war noch kein Thema, denn es gab nur wenige Fahrzeuge und Ladestationen sowie immer ausreichend Strom.« Der Markt entwickelte sich aber weiter und die Aufgabe lautete bald, ein System zu entwickeln, das Unternehmen den Wechsel in die E-Mobilität erleichterte. Deren Hürden waren und sind bis heute nicht trivial: Trotz steigender Anzahl an E-Fahrzeugen blieben Ladestationen nur begrenzt verfügbar. Autos laden je nach Fahrzeugtyp unterschiedlich lange, außerdem stammen E-Wagen sowie Ladesäulen oft von verschiedenen Herstellern mit unterschiedlichen Standards. Eine unkoordinierte Nutzung von Ladesäulen kann die Stromnetze überlasten und dynamisch schwankende Strompreise können nicht genutzt werden. Dabei bieten E-Fahrzeuge Flexibilität. Denn mit dem Konzept »Vehicle-to-Grid« wird das Elektroauto künftig weit mehr sein als nur ein Verkehrsmittel – es wird als mobiler Speicher zum Bindeglied zwischen Mobilität und Energieversorgung und damit zu einem Schlüsselfaktor der Energiewende.
»Das Entscheidende ist: Hier treffen drei Bereiche aufeinander, die bisher getrennt betrachtet wurden: Mobilität, Energie und Ladeinfrastruktur. In Zukunft müssen diese Bereiche aber zusammenarbeiten und sich aufeinander abstimmen, um kostengünstig oder möglichst klimaneutral zu laden – also die Energie optimal einzusetzen, das macht es so komplex«, sagt Ostermann. »Im Grunde bräuchte jeder Betrieb eine individuelle Softwarelösung, die am Standort implementiert werden muss. Das erfordert viel Technologie und Know-how.«
Hier kommt »Joulify« ins Spiel, eine Plattform, die Ostermann im Rahmen seiner Promotion entwickelt hat. Sie verbindet das Flotten-, Energie- und Lademanagement miteinander und adressiert die genannten Probleme. »Das Neue daran ist, alle Daten so zusammenzubringen, dass ein stets optimaler Ladefahrplan erstellt werden kann«, erklärt er. Die Software weiß, wann welches Fahrzeug unterwegs ist und bis wann es wie viel Strom benötigt. Sie bindet lokal erzeugte Energie ein, etwa von firmeneigenen Solaranlagen, berücksichtigt die Stromverfügbarkeit sowie aktuelle dynamische Strompreise und Prognosen – daher »intelligent«. Da »Joulify« cloudbasiert ist und herstellerunabhängig funktioniert, hält sich der Initialaufwand in Grenzen. Die Plattform eignet sich für alle Unternehmen, die E-Mobilität bei sich umsetzen wollen – große wie mittelständische, mit eigenem Fuhrpark oder ohne, die aber Mitarbeitenden oder Externen die Infrastruktur bereitstellen wollen. »Alles ab fünf Ladeplätzen ist relevant«, sagt er.
Das Potenzial seiner App erkannte Ostermann früh – und auch, dass er es außerhalb von Fraunhofer anbieten wollte. Die Idee zur Ausgründung entstand, als sein Vorgesetzter ihn vor Jahren ermutigte, an einem internen Förderprogramm für Entrepreneurship teilzunehmen (heute AHEAD), was er tat. Seitdem arbeitete er unermüdlich auf sein Ziel hin.
Fraunhofer-Programm AHEAD
Joseph von Fraunhofer (1787–1826), dem die Fraunhofer-Gesellschaft ihren Namen verdankt, gilt nicht nur als Begründer der wissenschaftlichen Methodik im Bereich der Optik und Feinmechanik sowie als Pionier der deutschen Präzisionsoptik. Er war zugleich ein erfolgreicher Unternehmer, der seine Erfindungen vielfach in die Anwendung brachte. Diesem Beispiel folgend, fördert die Fraunhofer-Gesellschaft den Transfer von der Wissenschaft in die Praxis.
Um die Geschwindigkeit von High- und Deeptech-Gründungen in Deutschland signifikant zu erhöhen, hat die Fraunhofer-Gesellschaft ein Programm zur Gründung von Start-ups unter dem Namen Fraunhofer AHEAD gestartet. Das Fraunhofer-interne Programm fördert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Ausgründung oder Auslizenzierung von Fraunhofer-Technologie und stellt somit die Weichen dafür, dass aus Ideen Produkte werden.
Zuletzt erforschte er im Rahmen des Projektes »LamA – Laden am Arbeitsplatz« die Software »ubstack«, wie die Software unter Regie des Fraunhofer IAO hieß, und brachte sie in die Anwendung. Dafür wurden an aktuell 50 Fraunhofer-Standorten bundesweit 580 Ladepunkte aufgebaut und über die Plattform betrieben. So konnte Ostermann untersuchen, welche Herausforderungen bei betrieblichen Ladevorgängen auftreten und wo Anpassungen nötig sind.
Jetzt darf sich »Joulify« am Markt beweisen. Der Zeitpunkt sei günstig, sagt Ostermann, da sich der Markt rasant entwickele und eine intelligente Steuerung immer wichtiger werde. Außerdem schließt er bald seine Promotion ab, es passt perfekt.
Aktuell sucht er Investoren, die an seine Idee glauben, und zwei, drei Betriebe, mit denen er starten kann. Einige Projektpartner haben bereits Interesse gezeigt. Wichtig ist ihm eine gesicherte Finanzierung, da er auch mit eigenem Vermögen beteiligt ist. »Aber dieses Risiko geht jeder Unternehmensgründer ein«, sagt er. »Ich bin fest entschlossen, meine Vision in die Tat umzusetzen«.