Über 70 Prozent der Befragten können sich vorstellen, auf ihr Auto zu verzichten – zugunsten autonomer Fahrzeugkonzepte wie beispielsweise Peoplemover (elektrisch angetriebene Kleinbusse). So lautet eines der zentralen Ergebnisse der WeTalkData-Studie »The Autonomous Gap: Ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig? Anspruch und Realität autonomer Mobilitätskonzepte in Europa, China und den USA«, die das Management- und IT-Beratungsunternehmen MHP zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart und der Motor Presse Stuttgart als Recherchepartner veröffentlicht hat. Für die Studie wurden 5000 repräsentativ ausgewählte Erwachsene in Deutschland, Schweden, Polen, Italien und Großbritannien, China und den USA zu ihrer Erwartungshaltung an geteilte autonome Mobilitätskonzepte oder auch AD-Mobilität (AD, Autonomous Driving) befragt. Die Einschätzungen und Bewertungen der potenziellen Nutzerinnen und Nutzer hinsichtlich der Realisierbarkeit, Tragfähigkeit und technischen Umsetzung haben die Studienautorinnen und Studienautoren mit 15 internationalen Expertinnen und Experten gespiegelt. »Da die potenziellen Nutzerinnen und Nutzer bislang meist noch keine Erfahrungswerte mit dem autonomen Fahren haben, basieren viele Einschätzungen und Anforderungen stand heute auf hypothetischen Annahmen oder Idealvorstellungen«, erklärt Sebastian Stegmüller, Leiter des Forschungsbereichs Mobilitäts- und Innovationssysteme am Fraunhofer IAO. »Um einem solchen Bias entgegenzuwirken, haben wir verschiedene Fachexpertisen eingeholt. So wollen wir den Gap zwischen den Angeboten der Mobilitätsbranche und den Erwartungen der Nutzenden schließen und realistische Umsetzungsmöglichkeiten aufzeigen.« Dabei hat das Forschungsteam sieben Lücken (Gaps) zwischen Anspruch und Realität von autonomen Mobilitätskonzepten identifiziert.
Die vom Fraunhofer IAO verfasste Studie lässt außerdem Rückschlüsse zu, welche Konzepte und Geschäftsmodelle in welcher Region erfolgsversprechend sein könnten – und wo einige der zentralen Herausforderungen, vor allem im Bereich der Nachhaltigkeit, für die unterschiedlichen Akteure liegen. Dabei wurden unter anderem vier autonome Mobilitätskonzepte näher betrachtet, die einerseits zu einer Verkehrswende beitragen und andererseits langfristig positive Nachhaltigkeitseffekte bewirken sollen. Hierzu zählen VIP-Shuttles (insbesondere ausgelegt für Individualmobilität), Peoplemover (geteilte Kleinbusse mit Platz zwischen 10 und 15 Personen) Komfort-Shuttles und Kleinstfahrzeuge (Fokus auf geteilte Mobilität für zwei bis vier Personen).
Hohe Bereitschaft zum Verzicht auf den eigenen Pkw
Für die Nutzung von geteilten autonomen Mobilitätslösungen wären weltweit über 70 Prozent der befragten Menschen bereit, auf ihr Auto zu verzichten. In der weiteren Aufschlüsselung der Zahlen wird es noch wahrscheinlicher, dass der mobile Individualverkehr (MIV) auf dem Rückzug ist. 45 Prozent der Befragten sind eventuell und 27 Prozent auf jeden Fall bereit, auf den Privat-Pkw für äquivalente AD-Mobilität zu verzichten. Bei den Nutzerinnen und Nutzern, die heute schon auf Sharing-Angebote zurückgreifen, würden sogar 87 Prozent sofort AD-Mobilität nutzen.
In Deutschland kann sich den kompletten Umstieg auf AD-Mobilität zumindest ein Viertel der Autobesitzerinnen und -besitzer wegen Parkplatznot und Staus vorstellen. Zu den weiteren Motiven zählen mehr Flexibilität (48 Prozent), die Verfügbarkeit rund um die Uhr (43 Prozent) sowie Klimafreundlichkeit (40 Prozent). Fast die Hälfte (43 Prozent) sehen in autonomen Mobilitätskonzepten eine Alternative zum ÖPNV. Dabei stellt der Transport von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von und zur Arbeitsstätte länderübergreifend das am häufigsten genannte Einsatzfeld dar.
Große Sicherheitsbedenken bei der Technologie
Die grundsätzliche Bereitschaft, geteilte autonome Fahrzeuge zu nutzen, ist zwar vorhanden, wenn auch regional unterschiedlich ausgeprägt. Mit 91 Prozent liegt China weit vorne, während erst knapp die Hälfte der Menschen in den USA und Deutschland dazu bereit ist. Diese Zurückhaltung hat verschiedene Gründe – nicht zuletzt gibt es nach wie vor große Sicherheitsbedenken und Zweifel in die neue Technologie. Besonders hoch wird das Risiko in die Technologie in den USA mit 59 Prozent eingeschätzt, Deutschland liegt mit 50 Prozent im Mittelfeld, während 41 Prozent der Chinesen Risiken in der Technologie sehen.
Tech-Riesen als Anbieter im öffentlichen Raum wenig vertrauenswürdig
Im Bereich der geteilten Mobilität, insbesondere dort, wo es um die Anbindung von (urbanen) Verkehrsknoten geht, trauen die Befragten am meisten den Kommunen und dem ÖPNV zu, autonome Mobilitätsangebote zu realisieren. So vertrauen 44 Prozent der Befragten den Kommunen als AD-Anbieter im Gegensatz zu den privaten Mobility-Anbietern (27 Prozent). Die Gründe dafür sind vielschichtig und reichen von einem großen Einfluss dieser Institutionen über eine persönliche Identifikation bis hin zu stärkeren finanziellen Möglichkeiten. Außerdem treten Städte schon heute als Anbieter von Mobilitätsdiensten in Erscheinung. Es liegt also nahe, dass Nutzerinnen und Nutzer davon ausgehen, dass die gleichen Akteure auch die Mobilitätsdienste in der Zukunft bereitstellen werden. Inwieweit privatwirtschaftliche betriebene Institutionen im Wettbewerb mit Kommunen bzw. den ÖPNV-Betreibern bestehen können, bleibt offen. Städte haben dabei nicht nur einen Vertrauensvorsprung gegenüber Tech-Riesen wie Alibaba, Baidu, Cruise oder Tencent, sondern auch einen Subventionsvorteil.