Die Zukunft aktiv mitgestalten

Quartiersentwicklung

Im Innovationsnetzwerk »Future District Alliance« erarbeitet das Fraunhofer IAO mit Partnern Konzepte für lebenswerte Quartiere von morgen. Im Interview erklärt Mitinitiator Alexander Bakhtiar, Senior Manager und Projektentwickler bei der BEOS AG, einem Unternehmen von Swiss Life Asset Managers, welche Impulse sie bereits setzen konnten.

Herr Bakhtiar, was hat Sie dazu bewogen, die »Future District Alliance« mit ins Leben zu rufen?

Unsere Aufgabe als Projekt- und Quartiersentwickler besteht unter anderem darin, Transformations- und Nutzungspotenziale in unserer gebauten Umgebung zu erkennen und zu überlegen, wie man diese sinnstiftend heben kann. Hierbei spielen etwa infrastrukturelle, ökologische und soziale Faktoren eine zentrale Rolle. Da die Zusammenhänge im Sinne eines Ökosystems komplexer werden, fragten wir das Fraunhofer IAO, ob sie Interesse daran hätten, so etwas gemeinsam zu denken. Das Timing war perfekt, denn das Fraunhofer IAO wollte das Thema Quartiere der Zukunft auch angehen und suchte nach Praxispartnern. So entstand 2022 die »Future District Alliance« oder kurz FDA.

Welchen Vorteil sahen Sie als Entwickler in einer Zusammenarbeit?

Mein Gedanke war, wenn wir Zugang zur Methodik der angewandten Forschung, einem starken Netzwerk und einem gesteuerten Innovationsprozess hätten, könnten wir Blaupausen für die Gestaltung von Quartieren wie Frankfurt Westside entwickeln. Dann stand die Frage im Raum, ob wir es allein mit dem Fraunhofer IAO machen, und uns war klar: Nein. Wir denken das als Open-Innovation-Plattform. Also suchten wir Partner mit ähnlichem Mindset, die Lust hatten, solche Quartiere mitzugestalten.

© Frankfurt Westside GmbH & Co. KG. Frankfurt Westside Mitten in Frankfurt, nur eine S-Bahn-Station vom Hauptbahnhof entfernt und am nördlichen Mainufer gelegen, entsteht eines der spannendsten Stadtentwicklungsprojekte Deutschlands: Frankfurt Westside. Auf dem rund 70 Hektar großen Gelände des ehemaligen Industrieparks Griesheim entwickeln die BEOS AG und Swiss Life Asset Managers mit Partnern ein urbanes Quartier der Zukunft mit Fokus auf Innovation, Nachhaltigkeit und moderne Lebens- und Arbeitswelten. Die »Future District Alliance« begleitet das Projekt als wissenschaftlicher Partner.

Aus welchen Branchen kommen Ihre Partner?

Das ist bunt gemischt. Aktuell haben wir 25 bis 30 beständige Partner aus Immobilienwirtschaft, Energie, Technologie, öffentlicher Hand und Forschung. Jeder kann etwas beitragen, wir alle sind Teil eines Stadtquartiers.

Welche Ziele verfolgt die »Future District Alliance«?

Wir verstehen uns als Think-and-do-Tank und wollen durch Thought Leadership neue Impulse bei der Quartiers- und Arealentwicklung setzen. Der Kerngedanke ist: Quartiere können nur in Gemeinschaft entwickelt werden. Daher treffen wir uns, um im geschützten Raum Wissen zu teilen, gegenseitig Feedback einzuholen und Themen besser durchdenken zu können. Wir bündeln die Expertisen aller, die ein Einzelner nicht hätte, und übertragen sie auf ein Quartier.

Was müssten neue Partner mitbringen, um mitmachen zu können?

Mitmachen heißt mitgestalten. Die FDA lebt von aktiven Partnern, die bereit sind, ihr Wissen zu teilen, Dinge in die Tat umzusetzen und für die entstehenden Forschungsarbeiten auch einen finanziellen Beitrag zu leisten.

Welche Erfahrungen haben Sie bisher im Netzwerk gemacht?

Überwiegend positive. Die Partner sind im Netzwerk eng zusammengewachsen. Es ist ein Begegnen auf Augenhöhe, sehr wertschätzend und offen. Für uns ist es ein Ort für mögliche Co-Kreationen geworden. Wir waren produktiv, konnten Blaupausen entwickeln, Experteninterviews führen und haben Zukunftsszenarien als strategische Denkräume publiziert. Dabei ist auch ein Good-Practice-Katalog entstanden. Wir haben Quartiere weltweit analysiert und in knapper Form zusammengetragen, was sie ausmacht. So entstand eine Art Toolbox für Städte, Entwickler und andere Interessierte.

Oft heißt es, Quartiere von morgen müssten zukunftsfähig sein. Was bedeutet das konkret? Und wer definiert das?

Eine wirkliche Definition gibt es nicht, wir haben eine eigene entwickelt. Im Prinzip geht es darum, die Zukunft ein Stück weit vorwegzudenken: Wie werden wir künftig leben und arbeiten? Auf Basis dieser Überlegungen planen und bauen wir Quartiere so, dass sie auch in 30, 40 Jahren noch ihre Wirkung entfalten. Zukunftsfähigkeit bedeutet für uns, dass ein Quartier lebenswert ist. Da wir nicht wissen, was in 30 Jahren als lebenswert gilt, müssen sie resilient sein. Gemessen an dem, was wir heute glauben, müssen sie mindestens klimaneutral sein. Aufgrund des technologischen Fortschritts denken wir, dass sie digital vernetzt sein müssen – und sozial inklusiv. Wir betrachten ein Quartier der Zukunft dabei nicht als ein fertiges Produkt, sondern als ein sich veränderndes, lernendes Ökosystem mit vernetzten Wertschöpfungsketten, das urbanen Wandel nicht nur zulässt, sondern ihn aktiv mitgestaltet.

Was bedeuten diese Konzepte für die Entwicklung unserer gebauten Umwelt?

Gebäude werden künftig viel flexibler in ihrer Nutzung sein müssen. Was heute ein Bürogebäude ist, kann morgen ein Forschungslabor und übermorgen ein Wohngebäude sein, wenn das System im Vorfeld clever designt wurde und sich nachrüsten lässt. Auf Quartiersebene zielen wir zukünftig stärker auf Teilautarkie ab. Das betrifft die Energie-, aber auch Lebensmittelversorgung. Wir glauben, dass so etwas wie Urban Farming und Indoor Farming in Quartiere einfließen wird. Die Stadt von morgen ist zirkulär und digital gedacht und versorgt sich in Teilen selbst.

Was wünschen Sie sich von Städten, um solche Quartiere zu realisieren?

Stadtverantwortliche müssen Möglichmacher sein, keine Bremser. Wenn man in Städten gemeinsam etwas verändern möchte, muss man manches ausprobieren dürfen. Das geht nicht, wenn einen die Regularien und Bürokratie ausbremsen. Darum begrüßen wir die sogenannten Experimentierklauseln im Rahmen des neuen Reallabor-Gesetzes. Sie können einen echten Spielraum zu den sonst sehr starren städtebaulichen Vorgaben schaffen, um Dinge schneller zu erproben und damit Innovation zu fördern. Mein Wunsch wäre, dass Stadtverantwortliche den Mut haben, das zu ermöglichen.

Foto von Alexander Bakhtiar
© Beos AG

Alexander Bakhtiar
ist Diplom-Wirtschaftsingenieur (TU) und seit über zwölf Jahren für die BEOS AG tätig, ein Unternehmen von Swiss Life Asset Managers und einer der führenden Spezialisten für Unternehmensimmobilien in Deutschland. Bakhtiar bringt die Perspektive eines aktiven Projekt- und Quartiersentwicklers in die »Future District Alliance« ein.

Weitere Informationen

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Innovationsnetzwerk

Future District Alliance

Klimawandel, Energiewende, Kostenexplosionen, demografischer Wandel, Bürokratiewahnsinn, Migration, Digitalisierung und Technologienfortschritt – heutige Quartiere stehen vor immensen Herausforderungen auf der einen und großen Entwicklungspotenzialen auf der anderen Seite. Um die Zukunft von Quartieren aktiv mitzugestalten und Impulse für das Morgen weiterzugeben, haben wir 2022 das Innovationsnetzwerk Future District Alliance gegründet.

Forschungsbereich

»Stadtsystem-Gestaltung«

Im Forschungsbereich Stadtsystem-Gestaltung erforschen wir Städte als komplexe Systeme aus Mensch, Technik und Raum. Ziel ist es, urbane Transformation aktiv zu gestalten und zukunftsweisende Lösungen für die großen Herausforderungen von Klimawandel, Digitalisierung, Urbanisierung und gesellschaftlichem Wandel zu entwickeln. Gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft entwickeln wir praxisnahe Konzepte, Prototypen und Strategien für die Stadt von morgen und ihre Ökosysteme.

 

Aus dem Magazin »FORWARD

Dieser Beitrag ist Teil des Magazins 2/25 des Fraunhofer IAO und des IAT der Universität Stuttgart.