Der manuelle Kommissionierprozess (Picking) in der Automobil-Produktion beschreibt die gezielte Entnahme und Zusammenstellung von Fahrzeugteilen aus verschiedenen Logistikbehältern – dem sogenannten »Supermarkt« – zur Versorgung der Produktionslinie. In einem Reallabor in den Böllinger Höfen erforschen die Fraunhofer Heilbronn Forschungs- und Innovationszentren HNFIZ mit Beteiligung der Fraunhofer-Institute IAO und IPA zusammen mit Audi, welche technologischen Ansätze sich für den Pick-Prozess bestmöglich in den Arbeitsalltag integrieren lassen – zum Beispiel, um die Auswahl falscher Teile zu minimieren, die Produktionsversorgung zu verbessern und die Mitarbeitenden körperlich zu entlasten.
KI und mobile Robotik als Forschungsfelder
Zunächst identifizierte eine Bedarfsanalyse Umfänge und Tätigkeiten, in denen das größte Potenzial zur Prozessoptimierung und Entlastung der Mitarbeitenden steckt. Im nächsten Schritt werden ausgewählte Technologien in einem eigens eingerichteten Reallabor im Werk »Böllinger Höfe« erprobt. Auf einer abgegrenzten Fläche im Logistikbereich testen die Forschenden in einer realitätsgetreuen Kopie des »Supermarkts«, in dem der Pick-Prozess stattfindet, verschiedene technologische Hilfsmittel und Ansätze.
Zum einen möchten Audi und die beiden Fraunhofer-Institute herausfinden, welche Einsatzpotenziale KI-basierte Technologien wie beispielsweise Computer Vision im manuellen Picking bieten und diese technologischen Lösungen den Menschen bestmöglich unterstützen können. Zum anderen prüfen die Forschungsteams die Einsatzpotenziale von mobiler Robotik, beispielsweise von autonomen mobilen Knickarmrobotern, die mit verschiedenen Greifern und 3D-Sensorik ausgestattet sind. »Die Kleinserienfertigung in den Böllinger Höfen ist für solche Forschungszwecke ideal geeignet. Wir produzieren unter anderem die Audi e-tron GT-Familie. Diese Fahrzeuge haben einen hohen Individualisierungsgrad, was den Pick-Prozess durch die hohe Anzahl an unterschiedlichen Teilen besonders komplex und herausfordernd macht«, sagt Alexander Müller, Leiter Logistik der Audi Sport GmbH.
Forschung im realen Umfeld
Als Testbeispiele dienen echte Fahrzeugaufträge, um den Einsatz der KI- und Robotik-Lösungen realitätsnah zu simulieren. »Mit dem Reallabor im Werk Böllinger Höfe bei Audi Sport schlagen wir ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit von Forschung und Unternehmen auf. Hier haben wir erstmals die Möglichkeit, den Einsatz neuer Technologien in realen Arbeitsprozessen wissenschaftlich zu erproben. Dabei kommen die zentralen Impulse von den Werkerinnen und Werkern, die den Nutzen von Künstlicher Intelligenz, Sensorik oder Robotik in ihrer vertrauten Produktionsumgebung bewerten«, sagt Bernd Bienzeisler, Leiter des Forschungs- und Innovationszentrums Kognitive Dienstleistungssysteme KODIS am Fraunhofer IAO.