»Wir müssen in Deutschland Datenkompetenz aufbauen«

Forschung im Verbund

Porträt von Dietmar Laß. Er blickt leicht lächelnd in die Kamera.
© H. Köhler | Fraunhofer-Verbund IUK-Technologie
Dr. Dietmar Laß ist promovierter Wirtschaftsingenieur und hat in seiner Karriere immer an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Technik, Wissenschaft und Staat gearbeitet – mit Fokus auf Innovation und Business Development. Seit 2018 arbeitet er für die Fraunhofer-Gesellschaft – zunächst für den Mikroelektronik-Verbund, jetzt für den IUK-Verbund. Als Senior Forschungsmanager fördert er den Austausch zwischen den Instituten und entwickelt Strategien, um die Kompetenzen der einzelnen Institute nach außen zu bündeln und sichtbarer zu machen.

Die Digitalisierung aller Lebensbereiche und Branchen ist die große Herausforderung unserer Zeit. Im Interview erklärt Dr. Dietmar Laß, Forschungsmanager im Fraunhofer-Verbund IUK-Technologie, wie der Verbund Unternehmen dabei unterstützen kann – und warum es für Deutschland und Europa so wichtig ist, digitale Souveränität zu erlangen.

Herr Dr. Laß, für Außenstehende ist die Arbeit der Fraunhofer-Institute oft nicht so leicht greifbar. Welchen Zweck erfüllt ein Verbund wie der Verbund IUK-Technologie?
Ein Verbund ist ein Zusammenschluss von Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft, die in ähnlichen Forschungsbereichen tätig sind. Insgesamt gibt es zehn Verbünde, darunter Produktion, Gesundheit, Innovation und eben IUK-Technologie. Hier sind Institute vertreten, die zum Beispiel etwas mit Computer Science machen, mit Web-Technologie, Künstlicher Intelligenz, Digitaler Medizin. Manche beschäftigen sich konkret mit Kommunikationstechnologie, gestalten Mobilfunknetze und machen diese sicher. Andere sind Spezialisten für Cyber-Security, die Bandbreite ist groß. Die Aufgabe unserer Geschäftsstelle wiederum ist, diese jeweiligen Kompetenzen der beteiligten Institute zu bündeln, zu koordinieren und für andere nutzbar zu machen.

Was genau ist Ihre Aufgabe als Forschungsmanager?
Der Zusammenschluss allein bietet noch keinen Mehrwert. Den wollen wir schaffen, indem wir einerseits nach innen eine Strategie zur einheitlichen Ausrichtung entwickeln, mit einheitlichem Leistungsangebot und Webauftritt, gemeinsamen Broschüren und Messeauftritten, der Vermittlung von Expertinnen und Experten für Konferenzen. Dafür haben wir 13 Roadmap-Themen definiert, als Instrument zur inhaltlichen Fokussierung, darunter Künstliche Intelligenz, Quantencomputing oder Open-Source-Software. Nach außen hin wollen wir eine Anlaufstelle für interessierte Unternehmen sein und ihnen sagen können, an wen sie sich wenden können.

Also eine Art Wegweiser.

Ich würde eher Router sagen. Wir sind Vermittlungsstelle, können Unternehmen einen Überblick über aktuelle Technologien und Forschungsthemen geben und sie je nach Thema und Problem mit den passenden Instituten zusammenbringen.

Wer ist Ihre Zielgruppe?
Zu uns kommen Unternehmen aus verschiedensten Wirtschaftsbereichen, die auf der Suche nach IT-Lösungen sind. Das sind einmal Technologieunternehmen, die Kunden, aber auch Partner von uns sind, etwa Digitalunternehmen, Systemintegratoren, Infrastrukturbetreiber oder Hersteller bestimmter Produkte. Und dann natürlich Endanwender dieser Produkte aus allen Industriebranchen und dem öffentlichen Sektor. Die Bedingung ist: Sie brauchen eine Innovationsbereitschaft und eine gewisse IT-Infrastruktur sowie Leute, die das umsetzen.

Bei welchen Problemen können Sie helfen?
Das Ziel ist, dass wir in Deutschland gute Technologien liefern und Unternehmen befähigen, die digitale Transformation zu meistern und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. In der Regel wollen Unternehmen ihre Produktivität und Effizienz erhöhen, Prozesse optimieren, Kosten sparen, Innovationen vorantreiben, ihren ökologischen Fußabdruck verringern oder einfach ihren Mitbewerbern einen Schritt voraus sein. Bei alldem können wir sie unterstützen, etwa indem wir zu Themen wie Daten, KI, Sensorik, Security oder 5G beraten. Hinzu kommt, dass sich Unternehmen bei der Nutzung neuer Technologien an Regularien halten müssen. Um konform zu sein, müssen sie neue Prozesse, Strukturen und Datenplattformen aufbauen. Wir haben mit der Industrie bereits Standards entwickelt, mit denen sie ihren bürokratischen Aufwand reduzieren können. Und wir entwickeln konkrete technologische Lösungen.

Können Sie Beispiele nennen?
Eine niederschwellige Lösung sind etwa KI-unterstützte Sprachassistenzsysteme, die konkrete Probleme lösen, etwa in der Produktion, der öffentlichen Verwaltung oder im Gesundheitsbereich. Wenn ein Arbeiter zum Beispiel eine Windturbine zusammenschraubt und die Hände frei haben muss, nutzt er zur Dokumentation und Qualitätskontrolle eine solche Sprachassistenz. Oder der Polizist kann nach einem langen Tag mit Verhören das fällige Protokoll über seine Stimme ausfüllen. In medizinischen Einrichtungen können diese Sprachassistenten bei der Anamnese zum Einsatz kommen. Da das auch in verschiedenen Sprachen möglich ist, kann das bei der Arbeit mit Geflüchteten genutzt werden. Eine größere Lösung wäre der Bau eines Digitalen Zwillings.

Was genau ist das?
Das ist eine möglichst genaue virtuelle Repräsentation eines physischen Objekts. Das Ganze verfolgt das Ziel, dass mehrere Leute zusammen daran arbeiten können oder dass bestimmte Anwendungsszenarien simuliert werden, ohne dieses Objekt dafür tatsächlich benutzen zu müssen. Das kann eine Maschine, ein Gebäude, eine digitale Infrastruktur sein, sogar eine Stadt. Man kann eine Fabrik virtuell planen, bevor man sie baut, das spart Kosten. Oder ein Monteur bekommt über eine Virtual-Reality-Kamera die Anleitung angezeigt und kann eine Maschine aus der Ferne reparieren.

 

Daten muss man erheben, sinnvoll aufbereiten und verfügbar machen.«

Dr. Dietmar Laß
Senior Forschungsmanager Fraunhofer-Verbund IUK-Technologie

Die Voraussetzung für all das ist eine entsprechende Datengrundlage.
Ja, die Basis jeder Digitalisierung sind Daten. Daten einer Maschine, Sensordaten, demografische Daten. Man muss sie erheben, sinnvoll aufbereiten und verfügbar machen. In dieser Hinsicht ist in Deutschland noch viel zu tun. Wir müssen eigene Standards definieren, brauchen große Rechenkapazitäten für Supercomputing sowie sichere, souveräne Datenplattformen, damit die Wertschöpfung im Unternehmen bleibt und nicht abfließt. Wenn ein Automobilkonzern seine Daten in eine fremde Cloud stellt, sie verkauft oder die Qualität nicht sicherstellt, möchte ich nicht in so einem autonomen Auto sitzen. Wir müssen in Deutschland also Datenkompetenz aufbauen, um digitale und technologische Souveränität zu erlangen. Die brauchen wir, um neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ein erstes kollaboratives Daten-Ökosystem für die Automobilindustrie der Zukunft ist Catena-X. Und auf europäischer Ebene schafft die Initiative Gaia-X eine branchenübergreifende Infrastruktur, um sicheren Datenaustausch zu ermöglichen.

Wie können Unternehmen an Sie herantreten?
Über unsere Website. Wir sind gerade dabei, ein Kompetenz-Mapping zu erstellen. Perspektivisch findet man dann auf unserer Seite zu allen 13 Roadmaps Ansprechpersonen aus dem Verbund. Wir sind auch auf Fachmessen und Konferenzen vertreten, da kann man uns ansprechen.

Weitere Informationen

Fraunhofer-Verbund IUK-Technologie

Für Unternehmen, Politik und Medien ist die Arbeit der verschiedenen Fraunhofer-Institute nicht immer leicht zu überblicken: Wie weit ist die Entwicklung einer neuen Technologie vorangeschritten? Welches Team befasst sich mit einer bestimmten Thematik? Welche Technologien, Projekte und Produkte werden in einem speziellen Bereich aktuell und zukünftig entwickelt? 

Der Fraunhofer-Verbund IUK-Technologie hat sich als Anlaufstelle, Vermittler und Dienstleister zur Beantwortung dieser Fragen etabliert: mit den notwendigen Informationen und den passenden Expertinnen und Experten zur Hand.

 

Aus dem Magazin »FORWARD

Dieses Interview ist Teil des Magazins 2/23 des Fraunhofer IAO in Kooperation mit dem IAT der Universität Stuttgart.