Mathias Vukelic

Der Mensch im Mittelpunkt

© Fraunhofer IAO, Foto: Ludmilla Parsyak
Mithilfe von Elektroenzephalographie (EEG) kann Dr. Mathias Vukelic die Hirnaktivität messen und auf kognitive Prozesse und emotionale Erlebnisse rückschließen.

Wie funktioniert unser Gehirn? Dr. Mathias Vukelic will wissen, wie Kognition und Emotion im menschlichen Denkapparat zusammenspielen. Am Fraunhofer IAO entwickelt der Neurowissenschaftler Technologien, die Menschen im Alltag eine Hilfe sein können.

Dr. Mathias Vukelic war immer schon fasziniert vom menschlichen Gehirn. Er wollte wissen, wie unser Denken funktioniert, welchen Einfluss Emotionen auf menschliches Handeln haben, wie Kognition und Emotionen zusammenspielen. Während seines Studiums der Biomedizinischen Technik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes und seiner Promotion in Neuro- und Verhaltenswissenschaften an der Universität Tübingen beschäftigte er sich vor allem mit der Frage, wie Mensch und Maschine zusammenarbeiten können. Seit sieben Jahren arbeitet der heute 36-Jährige am Fraunhofer IAO und versucht hier, gestützt von kognitiver Neurowissenschaft, positiver Psychologie und maschinellem Lernen die Frage zu beantworten: Wie lässt sich Technik so gestalten, dass sie für Menschen besser bedienbar ist?

Seit Oktober 2021 leitet Vukelic die neugegründete Abteilung »Applied Neurocognitive Systems«. Dort untersuchen seine Kolleg*innen und er physiologische Prozesse von Menschen, wie etwa Herzaktivität, Schweißbildung, Hirnaktivität – und zwar nicht nur in der reizarmen Umgebung des Labors, sondern vor allem in lebensnahen Situationen, in denen verschiedene Reize auf die verschiedenen Sinne des Menschen wirken. Von den gemessenen Hirn- und Körperreaktionen schließen die Forschenden dann auf kognitive Prozesse und emotionale Erlebnisse. Sie untersuchen beispielsweise, wie der Innenraum eines vollständig automatisiert fahrenden Autos aussehen muss, damit Passagier*innen die Zeit im Wagen möglichst produktiv nutzen können. Dazu testen sie etwa verschiedene Lichtverhältnisse und Geräuschkulissen. »Das emotionale Erleben ist wichtig in der Gestaltung der Technik. Technische Anwendungen dürfen den Menschen nicht belasten oder stören«, sagt Vukelic. Technik sollte angenehm in der Anwendung sein, Menschen Freude bereiten und ihnen dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen, besser zu lernen, besser zu kommunizieren, sich weiterzuentwickeln.

»Der Mensch steht im Mittelpunkt«, das betont Vukelic immer wieder. »Es geht nicht darum, technische Lösungen zu erfinden, nur weil wir es können.« Darum stellt er sich in seiner Forschung häufig eine unangenehme Frage: Wie verändert ein technisches Hilfsmittel den Menschen? Bringt es uns weiter oder nicht?

Das neueste Projekt, an dem Vukelic gemeinsam mit seinem Team arbeitet, trägt den Namen UFO und wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. UFO hat nichts mit »unidentifizierten Flugobjekten« zu tun, sondern mit dem Einsatz virtueller Realität zur Förderung von beruflicher Inklusion – insbesondere bei Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS), einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung, die in der Regel vor dem dritten Lebensjahr auftritt. Die Betroffenen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass ihnen die Fähigkeit fehlt, sowohl die eigenen Gefühle als auch die Gefühle anderer zu verstehen. Wie fühlt sich Wut an? Wie drückt sich Freude aus? Menschen mit ASS können Emotionen nicht entschlüsseln.

Vukelic und sein Team arbeiten nun daran, Menschen mit ASS Emotionen gewissermaßen über einen Umweg verständlich zu machen. Möglich wird das, indem etwa Herz- und Hirnaktivität, Schweißbildung oder andere physiologische Prozesse, die mit Emotionen auftreten, gemessen und etwa über die Impulse eines speziellen Armbands spürbar gemacht werden. Ein Mensch mit Autismus-Spektrum-Störung könnte die vom Armband produzierten taktilen Muster erlernen – und so einen Zugang zu den eigenen Emotionen finden. Trainiert wird das zunächst in einem virtuellen Lern- und Erfahrungsraum, die Technologie lässt sich grundsätzlich aber auch in der Realität anwenden. Und Vukelic denkt schon weiter: »In einem ersten Schritt wollen wir einen Zugang zu den eigenen Emotionen ermöglichen. In einem zweiten Schritt wollen wir dann die Emotionen von Mitmenschen auf diese Weise erlebbar machen.«

Lab-Live: Das NeuroLab im Praxis-Check

Im Video gibt Katharina Lingelbach Einblicke in das NeuroLab des Fraunhofer IAO und zeigt, wie sie und das Team »Applied Neurocognitive Systems« mit verschiedenen Messmethoden, Versuchsaufbauten und neuroadaptiven Technologien kognitive Zustände von Testpersonen messen und auswerten.

 

NeuroLab - Testumgebung für Fragen der Neuroarbeitswissenschaft

Mit dem NeuroLab eröffnete das Fraunhofer IAO im Oktober 2015 eine Testumgebung für Fragen der Neuroarbeitswissenschaft.